(Be)Merkenswertes 2. Teil

Habt Ihr auch ein nettes Gedicht oder einen Aphorismus, ein Sprichwort, eine Weisheit oder nur einen netten Spruch, den ihr hier nicht wiederfindet? Dann mailt Ihn mir bitte: merkenswertes at natokh.de. Ich werde ihn oder es dann bei nächster Gelegenheit hier "veröffentlichen". Wenn Ihr es wünscht mit Nennung Eures Namens.

MERKENSWERTES 1. Teil * MERKENSWERTES 2. Teil * MERKENSWERTES 4. Teil
MERKENSWERTES 5. Teil * MERKENSWERTES 6. Teil * Zur soziologischen Psychologie der Löcher (Kurt Tucholsky)
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Fragen eines lesenden Arbeiters

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?

Und das mehrmals zerstörte Babylon - Wer baute es so viele Male auf?
In welchen Häusern des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig ward, die Maurer?

Das große Rom ist voll von Triumphbögen. Wer erreichtete sie?
Über wen triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz nur Paläste für seine Bewohner?
Selbst in dem sagenhaften Atlantis brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang die Ersaufenden nach ihren Sklaven.

Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein?
Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?

Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg. Wer kochte den Siegesschmaus?

Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte.
So viele Fragen.

(Berthold Brecht)


Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglueck
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist laecherlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmoeglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

(Erich Fried)



Die knappe Bemerkung,
Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen,
bedeutet in Wirklichkeit,
der Mensch hat Gott nach seinem Ebenbild geschaffen.

(Aphorismus von Lichtenberg - gefunden in Marcel Reich-Ranicki / Mein Leben)



Es erben sich Gesetz und Rechte
Wie eine ewge Krankheit fort,
Sie schleppen vom Geschlecht sich zu Geschlechte
Und ruecken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.

(Johann Wolfgang von Goethe - Faust)



Ein Mann hat immer zwei Gruende,
einen guten und eine wahren

(J. P. Morgan)



Jeder Mensch traegt einen Zauber im Gesicht,
der irgendjemandem auffaellt.

(Friedrich Hebbel)



Man soll eine gut erzaehlte Geschichte
nicht durch die Wahrheit verderben.

(keltisches Sprichwort)



Sage nicht immer,
was Du weißt.
Aber wisse immer,
was Du sagst.

(?)



Die Kunst, mittelmäßige Eigenschaften
geschickt einzusetzen,
findet oft mehr Anerkennung
als wirkliche Größe.

(La Rochefoucauld)



Wer nicht gelernt hat sich zu fügen,
wird nie ein guter Befehlshaber.

(Aristoteles)


Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

(Hermann Hesse)


Augen in der Großstadt

Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das?
Vielleicht dein Lebensglück...
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst die Straße lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang,
die dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt
du hast's gefunden,
nur für Sekunden...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das?
Kein Mensch dreht die Zeit zurück...
Vorbei, verweht, nie wieder.

Du mußt auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Er sieht hinüber
und zieht vorüber ...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.

(Kurt Tucholsky)


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